Als Yoga-LehrerIn bist du stolz auf dein Fachwissen – deine tiefgreifenden Kenntnisse über Asanas, Pranayama und die Yoga-Philosophie. Doch wenn du deine Lehrmethoden auf die nächste Stufe heben und vielleicht sogar ein Yoga Teacher Training entwickeln möchtest, ist es wichtig, dass du deine Denkweise änderst. Es geht darum, dich von einem/einer reinen ExpertIn zu einem/einer echten PädagogIn weiterzuentwickeln. Diese Verwandlung ist der Schlüssel, um wirkungsvolle und nachhaltige Lernerfahrungen für deine SchülerInnen zu schaffen.
Der Unterschied zwischen ExpertIn und PädagogIn
Ein/eine ExpertIn verfügt über umfangreiches Wissen und Erfahrung in seinem/ihrem Fachgebiet. Er/Sie ist begeistert von seinem/ihrem Thema und kann Fähigkeiten auf hohem Niveau demonstrieren. Ein/Eine PädagogIn geht jedoch über das reine Wissen hinaus – er/sie hat die Fähigkeit, andere zu inspirieren und zu neuen Ebenen des Verständnisses und der Leistung zu führen.
Die häufigste Falle: “Die Informationsflut”
Wenn du das Unterrichten aus der Perspektive eines/einer ExpertIn angehst, läufst du Gefahr, in die “Informationsflut-Falle” zu tappen. Das ist das Missverständnis, dass es beim Lehren hauptsächlich darum geht, Informationen von dem/der LehrerIn zu den SchülerInnen zu übertragen. Du denkst vielleicht, dass deine SchülerInnen automatisch lernen, wenn du ihnen nur genug Wissen vermittelst.
Dieser Ansatz, so gut er auch gemeint ist, führt oft dazu, dass du deine SchülerInnen mit einer Flut von Informationen überfordern. Es ist, als würdest du versuchen, aus einem Feuerwehrschlauch zu trinken – es gibt zwar jede Menge Wasser, aber es ist unmöglich, alles effektiv aufzunehmen.
Ein anschauliches Beispiel hierfür aus meinem Leben:
Stell dir vor, du bereitest eine Unterrichtsstunde vor und deine Begeisterung für das Thema wächst mit jeder Minute. Plötzlich findest du dich in einem Strudel von Gedanken wieder: “Oh, diesen Aspekt muss ich unbedingt erwähnen! Und diese faszinierende Anekdote passt perfekt dazu! Ach, und dieses Detail ist einfach zu interessant, um es wegzulassen!“ So geht es mir noch heute. Ich muss mich da regelrecht bremsen und immer wieder einen Moment innehalten. Ich frage mich dann: „Ist das jetzt in diesem Moment wirklich wichtig für meine TeilnehmerInnen?“. Schon bei der Unterrichtsplanung stelle ich mir diese Frage. Mittlerweile bin ich sehr gut darin, Themenblöcke auszusortieren, aber in den ersten Jahren ist es mir wirklich sehr schwer gefallen, mich von Dingen zu trennen. Ich fand alles so wichtig, dass ich glaubte, ich könnte es unmöglich weglassen.
Deine Leidenschaft für den Stoff ist lobenswert, doch sie birgt eine Gefahr: Du könntest den Bogen überspannen. Die vielen Details, die für dich als erfahrene Lehrkraft so spannend sind, können für deine SchülerInnen schnell überwältigend werden. Sie haben das Thema nicht so oft gehört wie du und können unmöglich alles auf einmal aufnehmen.
Irgendwann merkst du vielleicht, wie die Augen deiner Schülerinnen glasig werden und ihre Konzentration schwindet. Die Köpfe sind voll, und selbst die interessantesten Informationen prallen ab wie Regentropfen an einer bereits gesättigten Oberfläche.
In solchen Momenten ist es wichtig, sich daran zu erinnern: Weniger ist oft mehr. Es geht nicht darum, alles zu vermitteln, was du weißt, sondern das Wesentliche so zu präsentieren, dass es nachhaltig im Gedächtnis bleibt. Qualität statt Quantität ist der Schlüssel zu effektivem Unterricht.
Ein neuer Blickwinkel: Konzentriere dich auf die Fortschritte deiner SchülerInnen
Um wie einE PädagogIn zu denken, musst du deine Perspektive grundlegend ändern. Anstatt dich darauf zu konzentrieren, was du deinen SchülerInnen erzählst, solltest du dich darauf konzentrieren, was deine SchülerInnen als Ergebnis deines Unterrichts tun können. Diese Verschiebung verwandelt die Lernerfahrung von einem lehrerzentrierten zu einem schülerzentrierten Modell.
Indem du den Unterricht auf messbare Leistungen der SchülerInnen ausrichtest, schaffst du klare Maßstäbe dafür, was deine SchülerInnen am Ende jeder Lektion demonstrieren oder ausdrücken können sollen.
Die Kraft des ergebnisorientierten Unterrichts
Diese scheinbar einfache Änderung des Ansatzes kann die Lernerfahrung auf mehrere Arten revolutionieren:
- Zielorientiertes Lehren: Als PädagogIn setzt du nun klare, erreichbare Ziele für die Leistung deiner SchülerInnen.
- Schülerzentrierter Fokus: Der Schwerpunkt verlagert sich von deinem Wissen als LehrerIn auf das Wachstum und die Entwicklung deiner SchülerInnen.
- Effiziente Vermittlung von Inhalten: Du wirst wählerischer bei den Informationen, die du vermittelst, und stellst sicher, dass sie direkt zu den gewünschten Lernergebnissen beitragen.
- Klare Bewertungskriterien: Du entwickelst ein konkretes Verständnis dafür, wie du die Fortschritte und den Erfolg deiner SchülerInnen beurteilen kannst.
Praktische Schritte zur Umsetzung
Bevor du deinen nächsten Yoga-Unterrichtsplan, Workshop oder ein Yoga Ausbildungs-Modul erstellst, stelle dir diese entscheidende Frage:
“Welche spezifischen Fähigkeiten oder Kenntnisse sollen meine SchülerInnen am Ende dieser Einheit demonstrieren können?”
Diese Frage wird dich leiten bei:
- Der Gestaltung gezielter Lernaktivitäten
- Der Auswahl der relevantesten Inhalte
- Der Schaffung von Möglichkeiten für deine SchülerInnen, das Gelernte zu üben und anzuwenden
- Der Entwicklung geeigneter Bewertungsmethoden
Beispiele im Yoga-Unterricht
Lass uns betrachten, wie dieser Ansatz eine typische Yoga-Stunde verändern könnte:
Experten-Ansatz: “Heute werden wir die Geschichte und Philosophie der Sonnengrüße erforschen, die Ausrichtung jeder Haltung untersuchen und die energetischen Auswirkungen auf den Körper besprechen.”
Pädagogischer Ansatz: “Am Ende dieser Einheit wirst du:
- Selbstbewusst eine grundlegende Sonnengruß-Sequenz anleiten können
- Drei wichtige Ausrichtungshinweise für jede Haltung in der Sequenz geben können
- Einer Anfängerin erklären können, wie Sonnengrüße Körper und Geist positiv beeinflussen
Fazit: Die pädagogische Denkweise annehmen
Der Übergang von einem/einer Yoga-ExpertIn zu einem/einer inspirierenden Yoga-PädagogIn ist eine Reise des Wachstums und der Transformation. Es erfordert, dass du deinen Fokus von dem, was du weißt, darauf verlagerst, wie du das Lernen und die Entwicklung deiner SchülerInnen fördern kannst.
Indem du diese pädagogische Denkweise annimmst, steigerst du nicht nur deine Effektivität als LehrerIn, sondern schaffst auch bedeutungsvollere und wirkungsvollere Erfahrungen für deine SchülerInnen. Denk daran: Der wahre Maßstab für deinen Erfolg als Yoga-LehrerIn liegt nicht in der Tiefe deines eigenen Wissens, sondern im Wachstum und in den Erfolgen deiner SchülerInnen.
Wenn du dich auf deine nächste Yoga-Stunde oder Trainingseinheit vorbereitest, fordere dich selbst heraus, wie ein/eine PädagogIn zu denken. Setze klare, umsetzbare Ziele für deine SchülerInnen und beobachte, wie sich dein Unterricht verändert – sowohl in Bezug auf die Erfahrungen deiner SchülerInnen als auch auf deine eigene Zufriedenheit als Yoga-LehrerIn.