Du bist YogalehrerIn und spielst mit dem Gedanken, selbst Ausbildungen anzubieten? Großartig! Aber fragst du dich vielleicht: “Darf ich das überhaupt schon?” Lass uns gemeinsam einen Blick darauf werfen, was es braucht, um diesen Schritt zu gehen.
Die einfache Antwort: Du darfst immer
Rein rechtlich gesehen gibt es weder in Deutschland noch in Österreich eine staatliche Regelung, die festlegt, wer Yogalehrer-Ausbildungen anbieten darf. Theoretisch könnte also jeder eine Ausbildung erstellen und anbieten. Die wichtigere Frage ist jedoch: Solltest du es tun?
Die verantwortungsvolle Antwort: Warte, bis du bereit bist
Auch wenn es keine gesetzlichen Vorgaben gibt, gibt es einige Kriterien, die du erfüllen solltest, bevor du andere ausbildest:
- Eigene Ausbildung und Erfahrung: Du solltest selbst eine qualifizierte Yoga-Ausbildung absolviert haben und über einen längeren Zeitraum unterrichtet haben. Drei Jahre eigene Praxis als YogalehrerIn gelten oft als Minimum. Ich habe beispielsweise einige Jahre bzw. Durchgänge bei Yoga Ausbildungen hospitiert. Irgendwann habe ich kleinere Themengebiete unterrichtet und dann wurde es immer mehr. Es ist also organisch gewachsen. Das war für mich die perfekte Herangehensweise.
- Breites und tiefes Wissen: Es braucht Zeit, Erfahrung und kontinuierliche Weiterbildung, um das Gefühl zu bekommen, mehr als “normalen Yoga-Unterricht” weitergeben zu können. Ich war so begeistert, dass ich auch meine regulären Yoga Stunden ab einem gewissen Punkt mit so vielen Zusatzinformationen vollgestopft habe, dass mir klar geworden ist, dass es wirklich einen anderen Rahmen braucht, damit meine Yogastunden wieder reine Yogastunden werden konnten.
- Yogischer Lebensstil: Lebst du Yoga auch abseits der Matte? Tägliche eigene Praxis, Meditation und eine bewusste Lebensführung (z.B. vegetarische Ernährung) können deine Glaubwürdigkeit als AusbilderIn stärken. Bei mir hat sich das zum Beispiel ganz natürlich entwickelt. Wobei ich schon vorher Vegetarierin war und sowieso finde, dass Ernährung echt ein sehr großes Feld ist und man das schlecht verallgemeinern kann. Aber ich habe auch noch nie Kaffee getrunken. Das ist ja echt für super viele YogalehrerInnen ein großes Thema. Ich habe es leicht: Mir schmeckt Kaffee einfach nicht 🙂 Genau das Gleiche mit dem Rauchen. Es war also nicht wirklich ein großes Opfer. Aber meine Ernährung allgemein ist bewusster geworden.
- Ethische Grundhaltung: Als AusbilderIn bist du ein Vorbild. Ein ethischer Lebensstil ist daher unerlässlich.
- Didaktisches Geschick: Kannst du komplexe Inhalte verständlich vermitteln? Bist du in der Lage, auf unterschiedliche Lerntypen einzugehen? Ich habe auf Grund meines Musik-Lehrarmtssudiums viele. Berührungspunkte mit Pädagogik und finde das einfach ein extrem spannendes Thema. Ich habe schnell bemerkt, wie wichtig dieses Thema ist. Nachdem ich bei so vielen Yoga Ausbildungen mit dabei war, sei es als Lehrerin oder Schülerin, wurde mir klar, dass das nicht selbstverständlich ist. Es ist so wichtig verschiedene Lehrmethoden zu beherrschen, um die SchülerInnen wirklich ganzheitlich abzuholen und das Lernen nachhaltig zu gestalten. Für viele KollegInnen von mir waren das echt große Aha-Momente, wenn sie von mir Feedback bekommen haben.
- Netzwerk und Ressourcen: Ein breites Netzwerk in der Yoga-Gemeinschaft und Zugang zu verschiedenen Ressourcen können deine Ausbildung bereichern.
- Anerkennung durch Berufsverbände: Eine Ausbildung, die von einem anerkannten Berufsverband zertifiziert ist, kann für deine SchülerInnen von Vorteil sein.
Die Versicherungsfrage
Ein wichtiger Aspekt, den du bedenken solltest, ist die Versicherung. Wenn du keinerlei anerkanntes Yogalehrer-Ausbildungszertifikat nachweisen kannst, wird es schwierig, eine Versicherung für deine Unterrichtstätigkeit zu bekommen. Das bedeutet: Sollte während deiner Ausbildung etwas schief gehen, haftest du persönlich für diesen Sachverhalt. Frage dich selbst: Bist du bereit, dieses Risiko einzugehen? Es ist ratsam, diesen Aspekt sorgfältig zu überdenken und entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Das betrifft vor allem YogalehrerInnen, die ihre Yogaausbildung absolviert haben, bevor es standardisierte Anforderungen für 200 und 500 Stunden Ausbildungen gab.
Die Yoga Alliance Richtlinien
Wenn du eine international anerkannte Ausbildung anbieten möchtest, sind die Richtlinien der Yoga Alliance einen Blick wert. Sie empfehlen:
- Den Status eines E-RYT 500 (Experienced Registered Yoga Teacher 500)
- Abschluss einer 500-Stunden Yogalehrer-Ausbildung
- Mindestens vier Jahre Unterrichtserfahrung nach Abschluss der 200-Stunden Ausbildung
- Mind. 2.000 dokumentierte Unterrichtsstunden
Ich persönlich hatte nie ein Thema mit diesen ganzen Vorgaben, weil ich, sagen wir mal „wie eine Verrückt“ unterrichtet habe und weit mehr Unterrichtsstunden Erfahrung hatte, als es beispielsweise die Yoga Alliance vorschreibt. Grundsätzlich finde ich aber, dass das ein extrem wichtiger Punkt ist. Von jeder gehaltenen Einheit kann man so viel Lernen.
Fazit: Es geht um Verantwortung und Gruppendynamik
Letztendlich geht es nicht nur darum, ob du eine Ausbildung anbieten darfst, sondern ob du dich bereit fühlst, diese große Verantwortung zu übernehmen. Fühlst du dich in der Lage, deine Schülerinnen und Schüler über einen längeren Zeitraum zu begleiten und ihnen nicht nur Yoga-Techniken, sondern auch die tiefere Essenz des Yoga zu vermitteln?
Ein oft übersehener, aber entscheidender Aspekt ist die Fähigkeit, den Raum für eine Gruppe zu halten, die durch einen intensiven Prozess geht. Eine Yogalehrer-Ausbildung ist nicht nur eine Ansammlung von Techniken und Wissen, sondern auch eine tiefgreifende persönliche Reise für die TeilnehmerInnen. Als AusbilderIn musst du in der Lage sein, die Gruppendynamik zu steuern, individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen und einen sicheren Raum für Wachstum und Transformation zu schaffen.
Persönliches Beispiel: In meinen 10 Jahren als Ausbilderin habe ich gelernt, dass jede Gruppe ihre eigene Dynamik hat. Es gab Momente, in denen ich mich herausgefordert fühlte, besonders wenn persönliche Konflikte oder emotionale Durchbrüche in der Gruppe auftraten. Rückblickend bin ich echt froh, dass ich am Anfang immer noch jemand an meiner Seite hatte, mit der/dem an meiner Seite ich mich durch jede Situation ganz gut durchmanövriert habe. So waren die Momente der Überforderung weitaus weniger, wie wenn ich alleine gewesen wäre. Ausserdem konnte ich gut beobachten, wie sie herausfordernde gruppendynamische Prozesse lösten. Diese Erfahrungen haben mich gelehrt, flexibel zu bleiben, aktiv zuzuhören und einen sicheren Raum für alle Teilnehmer zu schaffen. Und auch je mehr Kapazitäten ich für gruppendynamische Prozesse innerlich frei hatte, desto tiefer wurden auch die Prozesse der TeilnehmerInnen. Man wächst mit seinen Aufgaben.
Nimm dir die Zeit, die du brauchst. Bilde dich weiter, sammle Erfahrungen und wachse in deine Rolle als AusbilderIn hinein. Wenn du das Gefühl hast, mehr zu wissen, als du in normalen Klassen weitergeben kannst, wenn dein Herz vor Begeisterung für das Lehren schlägt und du dich bereit fühlst, andere auf ihrem Weg zu begleiten – dann könnte es an der Zeit sein, den Schritt zur/zum Yoga-AusbilderIn zu wagen.
Denk immer daran: Qualität geht vor Quantität. Es ist besser, eine fundierte und inspirierende Ausbildung anzubieten, als vorschnell ins kalte Wasser zu springen. Deine zukünftigen Schülerinnen und Schüler werden es dir danken!