Als ich vor über 20 Jahren mit Yoga begann, hätte ich mir nie träumen lassen, dass es einmal zu einer so tiefen Leidenschaft und einem zentralen Bestandteil meines Lebens werden würde. Heute, nach über 10.000 Stunden Unterricht und zehn Jahren, in denen ich YogalehrerInnen ausgebildet habe, blicke ich auf eine unglaublich erfüllende und herausfordernde Reise zurück. Auf diesem Weg habe ich viele wertvolle Lektionen gelernt – über mich selbst, meine SchülerInnen und die unendlichen Möglichkeiten, die Yoga bietet.
Die Vielfalt des Yoga – und warum sie so wichtig ist
In den letzten zwei Jahrzehnten habe ich Yoga in den unterschiedlichsten Formen und für die verschiedensten Zielgruppen kennengelernt und unterrichtet: von Kinderyoga über Yoga für Jugendliche, Familienyoga, Prenatal- und Postnatal-Yoga, Hormonyoga bis hin zu klassischen Hatha-Yoga-Stunden und Kundalini-Yoga. Ich habe Mantra-Singen angeleitet, Anfänger- und Fortgeschrittenenkurse gehalten, in Fitnesscentern, bei Sportcamps und auf Retreats unterrichtet. Die Vielfalt dieser Erfahrungen hat mir nicht nur unzählige Facetten des Yoga nähergebracht, sondern auch mein eigenes Wachstum als LehrerIn und Mensch bereichert.
Diese Abwechslung war essenziell für mich. Sie hat mir immer wieder neue Inspirationen gegeben und die Begeisterung für meinen Beruf aufrechterhalten. Ich habe festgestellt, dass es nicht nur den SchülerInnen zugutekommt, wenn man verschiedene Yoga-Stile und Ansätze anbietet – auch als LehrerIn bleibt man dadurch wach und lebendig. Andernfalls kann die Routine schnell zur Falle werden, in der Kreativität und Freude am Unterrichten verloren gehen.
Hätte ich nur Kurse mit Erwachsenen gehabt, wäre mir sicher irgendwann die Decke auf den Kopf gefallen. Die Leichtigkeit beim Kinderyoga zum Beispiel und die Direktheit des Feedbacks war zwar manchmal hart, aber immer erfrischend. Kinder sagen und zeigen einem unverblümt, wie sie etwas finden. Von „Mir ist so fad“ zu „Das ist das Schönste, was ich je gemacht habe“ – in Sekunden können sich ihre Gefühle ändern. Bei Erwachsenen ist es oft subtiler. Sie kommen entweder wieder oder nicht. Ein direktes Feedback bekommt man selten. Diese Unterschiede zwischen den Zielgruppen haben mich immer wieder aufs Neue motiviert. Manchmal musste ich jedoch innehalten und überlegen, wer gerade vor mir sitzt und welchen Yogastil ich unterrichte – besonders nach einem Tag mit bis zu fünf Yoga-Einheiten. Um 21:30 Uhr noch fokussiert zu bleiben, ist eine Herausforderung!
Die Kraft der Anpassung
Eine der wichtigsten Lektionen, die ich gelernt habe, ist die Bedeutung der Anpassung. Jede Yogastunde, jeder Kurs und jedeR SchülerIn ist einzigartig. Es gibt keinen „One-Size-Fits-All“-Ansatz. Was in einer Gruppe funktioniert, kann in einer anderen völlig fehl am Platz sein. Das gilt nicht nur für die körperlichen Aspekte der Praxis, sondern auch für den geistigen und emotionalen Raum, den Yoga schafft.
Egal in welchem Kurs, es geht darum, die Bedürfnisse der TeilnehmerInnen genau zu kennen und die Praxis entsprechend anzupassen. Für mich bedeutet das, einen sicheren Raum zu schaffen, in dem sich alle wohlfühlen und die Praxis auf ihre Weise erfahren können. Diese Fähigkeit zur Anpassung hat mich nicht nur zu einer besseren LehrerIn gemacht, sondern mir auch gezeigt, wie wichtig Flexibilität und Offenheit im Leben sind. Auch das ist über die Jahre hinweg entstanden.
In den ersten Jahren hatte ich immer den Anspruch an mich, Themenstunden vorzubereiten und am Anfang jeder Einheit zu sagen, was genau passieren wird. Ich schrieb Konzepte und hielt kleine Einführungen zu bestimmten Themen. Doch oft merkte ich während der Stunde, dass das geplante Thema nicht passend war und die Gruppe etwas ganz anderes brauchte. Nach und nach gab ich mir die Erlaubnis, spontaner zu sein und auf das zu reagieren, was sich im Moment zeigte. Das war ein langer Weg, vor allem, weil ich ein bestimmtes Bild davon hatte, wie eine Yogalehrerin „sein sollte“. Heute bereite ich nur noch eine grobe Struktur vor, weil ich mich mit meiner Erfahrung viel wohler fühle, spontan zu agieren. Am Anfang meiner Laufbahn wäre das aber sicher nicht möglich gewesen.
Die Bedeutung von Präsenz und Achtsamkeit
Mit der Zeit habe ich verstanden, dass der wahre Kern des Yoga nicht in der Perfektion der Asanas liegt, sondern in der Präsenz und Achtsamkeit, die man in jede Stunde mitbringt. Als LehrerIn ist es unsere Aufgabe, diesen Raum der Achtsamkeit zu halten und die SchülerInnen dazu einzuladen, sich selbst besser kennenzulernen. Es geht darum, wirklich präsent zu sein – für sich selbst und für die Gruppe.
In den vielen Stunden, die ich unterrichtet habe, habe ich gelernt, dass die SchülerInnen am meisten profitieren, wenn sie spüren, dass ich wirklich da bin, um sie zu unterstützen und zu begleiten. Diese Präsenz schafft Vertrauen und ermöglicht es den TeilnehmerInnen, sich auf tiefere Ebenen der Praxis einzulassen. Genau diese Momente, in denen Schüler plötzlich eine neue Verbindung zu sich selbst entdecken, motivieren mich immer wieder aufs Neue.
Meine eigene Meditationspraxis und Sat Nam Rasayan (meditative Heilpraxis) haben mir dabei sehr geholfen. Ich habe dadurch viel über mich selbst gelernt und bin heute viel besser in der Lage, in den gegenwärtigen Moment einzutauchen. Meine meditativen Fähigkeiten haben sich extrem erweitert, und damit auch mein Spüren und Wahrnehmen. Dieses subtile Wahrnehmen hat meinen Unterricht bereichert und auch meine SchülerInnen profitieren davon. Die Stille ist einer meiner größten Lehrmeister geworden. Es sind die schönsten Momente, wenn ich merke, dass ich durch meine Yogastunden die Energie im Raum so verändern kann, dass eine tiefe, zufriedene Stille einkehrt. In solchen Momenten sitze ich voller Dankbarkeit vor meiner Klasse und lasse es einfach wirken.
Yoga als ständige Weiterentwicklung
Yoga ist kein statisches System, sondern ein lebendiger, sich ständig entwickelnder Prozess. In den vielen Ausbildungen, die ich durchlaufen habe, und in den unzähligen Stunden des Unterrichtens habe ich gelernt, dass Yoga niemals „fertig“ ist. Es gibt immer neue Aspekte zu entdecken, neue Techniken zu erlernen und neue Wege, die Praxis zu vertiefen.
Diese ständige Weiterentwicklung hat nicht nur meinen Unterricht bereichert, sondern mir auch geholfen, als Mensch zu wachsen. Yoga hat mich gelehrt, dass es im Leben weniger um das Erreichen eines bestimmten Ziels geht, sondern vielmehr um den Weg, den man geht, und die Bewusstheit, mit der man ihn beschreitet. Diese Erkenntnis ist einer der wertvollsten Schätze, die ich aus meiner jahrelangen Praxis und Lehrtätigkeit mitnehme.
Es ist nie zu Ende. Du kannst nicht einfach einmal viel Yoga machen und dann „fertig“ sein – es ist ein kontinuierlicher Weg. Auch meine Art zu unterrichten hat sich im Laufe der Jahre stark verändert. In unterschiedlichen Phasen waren unterschiedliche Dinge wichtig. Je mehr ich lerne, desto mehr habe ich das Gefühl, dass ich erst am Anfang stehe. Und wer weiß, wie ich in ein paar Jahren darüber denken werde, wie ich heute unterrichte.
Die Freude am Unterrichten
Trotz aller Herausforderungen und der manchmal anstrengenden Wochen mit bis zu 25 Yogastunden habe ich die Freude am Unterrichten nie verloren. Es ist ein Privileg, Menschen auf ihrem Yoga-Weg zu begleiten, ihnen Werkzeuge für mehr Gesundheit, innere Ruhe und Selbstbewusst-Sein mitzugeben und zu sehen, wie sie sich durch die Praxis verändern und wachsen.
Durch die vielen unterschiedlichen Gruppen, die ich unterrichtet habe, wurde mir klar, wie universell und gleichzeitig individuell Yoga ist. Jeder bringt seine eigene Geschichte, seine eigenen Bedürfnisse und Ziele mit – und doch verbindet uns alle die gemeinsame Suche nach einem tieferen Verständnis und einem erfüllteren Leben. Diese Verbindung zu spüren und zu fördern, ist das, was mich antreibt und Yoga für mich so besonders macht.
Es ist ein Geschenk, andere auf ihrem Weg zu mehr Bewusstsein und Selbstverwirklichung begleiten zu dürfen und zu sehen, wie sie ihr volles Potenzial entfalten.
Fazit
Nach über 10.000 Stunden Yoga-Unterricht habe ich gelernt, dass Yoga weit mehr ist als nur körperliche Übungen. Es ist eine Reise zu sich selbst, eine Praxis, die uns lehrt, im Moment zu sein, flexibel zu bleiben und uns ständig weiterzuentwickeln. Die Vielfalt des Yoga und die Möglichkeit, so viele unterschiedliche Menschen auf ihrem Weg zu begleiten, haben mein Leben bereichert. Für mich ist Yoga nicht nur ein Beruf oder eine Berufung, sondern mein Leben. Ich freue mich darauf, diese Reise fortzusetzen und weiterhin von jedem/jeder einzelnen SchülerIn und jeder einzelnen Stunde lernen zu dürfen.